Unternehmensteuerreform

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Liebe Leute,

irgendwelche Vorstellungen, wie die Unternehmenssteuerreform aussehen sollte?

Salut, Jakob

-- Jakob WEizsaecker (jvw@lrz.de), April 12, 1999

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Response to Unternehmenssteuerreform

Leitlinien f|r eine grundsdtzliche Neuausrichtung der Unternehmensbesteuerung von David F. Milleker

Eine umfassende Reform der Unternehmensbesteuerung ist seit Jahren |berfdllig. Obwohl die Notwendigkeit einer Neuordnung seit Jahren unabweisbar auf der Hand lag, hat die alte Regierung lediglich die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer zuwege gebracht. In allen anderen Fragen der Unternehmensbesteuerung hingegen herrschte seit Jahren der sattsam bekannte Reformstau. Obwohl internationale Steuerbelastungsvergleiche schwierig und oft wenig aussagekrdftig sind, besteht kein Zweifel daran, da_ die steuerlichen Rahmenbedingungen f|r unternehmerische Tdtigkeit in Deutschland im internationalen Vergleich schlecht sind. Das zeigt sich schon daran, da_ die Bundesrepublik immer weniger in der Lage ist, mobiles Kapital f|r Betriebsgr|ndungen oder erweiterungen anzuziehen. Doch es ist nicht nur der internationale Wettbewerb, der eine grundlegende Erneuerung der Unternehmensbesteuerung notwendig macht. Vielmehr gilt es, die |ber Jahrzehnte aufgebaute innere Schieflage zu beseitigen: Diese zeigt sich schon allein darin, da_ zwar einerseits die Spitzenbelastung auf Eink|nfte aus unternehmerischer Tdtigkeit einschlie_lich der Gewerbeertragssteuer bei |ber 70% liegt, andererseits aber die in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ausgewiesene Durchschnittsbelastung aus Unternehmertdtigkeit und Vermvgen, die allerdings auch Komponenten wie die Einkommen der Selbstdndigen und Einkommen aus Privatvermvgen enthdlt, bis 1994 auf 12,78% gesunken ist. Schon allein aus dieser Diskrepanz wird deutlich, da_ es weniger um die absolute Hvhe der zu zahlenden Steuern geht, sondern um die Struktur ihrer Erhebung. Ziele einer umfassenden Neuordnung der Unternehmensbesteuerung m|ssen sein: 1.Klare Anreize f|r Investitionen und Innovationen am Standort Deutschland. 2.Eine einfache und transparente Steuererhebung. 3.Ein breiterer Zugang der Bevvlkerung zur Beteiligung am Produktivkapital. Die Webfehler der gegenwdrtigen Unternehmensbesteuerung Die Unternehmensbesteuerung hat sich |ber die Jahre hinweg immer mehr zu einem wahren Flickenteppich aus Einzeltatbestdnden entwickelt. Viele Sonderregelungen wurden zwar mit dem expliziten Ziel in Kraft gesetzt unternehmerische Tatkraft zu erleichtern und die Investitionsbedingungen zu verbessern, doch je mehr dieser Regelungen erlassen wurden, desto undurchschaubarer wurde das Regulierungsgeflecht. Letztlich wurde dadurch das Gegenteil erreicht: ndmlich eine hohe Belastung unternehmerischer Tdtigkeit. Ein optimales Steuersystem zeichnet sich dadurch aus, da_ es zwar fiskalisch ergiebig ist, die unternehmerischen Entscheidungen jedoch nicht beeinflu_t, so da_ diese sich ausschlie_lich an den Marktsignalen orientieren (Neutralitdtspostulat). Diesem Ideal wird die gegenwdrtige Unternehmensbesteuerung in keiner Weise gerecht, vielmehr beeinflussen steuerliche Signale Unternehmensentscheidungen oft mehr weit als der Wettbewerb - von der Wahl der Rechtsform |ber die der Unternehmensfinanzierung bis hin zur Art und Hvhe der im Inland realisierten Investitionen. Hinzu kommt, da_ die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital durch die gegenwdrtigen Regelungen eher behindert als beg|nstigt werden und zahlreiche Sondertatbestdnde die Anwendung der sich international verstdrkt durchsetzenden Bilanzierungsrichtlinien amerikanischen Zuschnitts verhindern. Die Wahl der Rechtsform wird insbesondere dadurch beeinflu_t, da_ Unternehmen keiner einheitlichen Besteuerung unterworfen werden, sondern Unternehmensgewinne f|r Personengesellschaften der Einkommens- die der Kapitalgesellschaften hingegen der Kvrperschaftssteuer unterliegen. Nach dem Anrechnungsverfahren der Kvrperschaftssteuer werden nur ausgesch|ttete Gewinne der Einkommenssteuer unterworfen, einbehaltene (thesaurierte) Gewinne hingegen voll der Kvrperschaftssteuer unterworfen, was sich bei funktionsfdhigen Kapitalmdrkten in einem entsprechend verminderten Wert der Eigentumstitel widerspiegelt. Dies diskriminiert zundchst unterhalb einer bestimmten Ertragsschwelle Kapitalgesellschaften, da sie in der Regel hvher besteuert werden als Personengesellschaften. Gleichzeitig ist zu beachten, da_ das Einbehalten von Gewinnen eine wesentliche Quelle der Unternehmensfinanzierung darstellt. Dies hat den unmittelbar nachteiligen Effekt, da_ die Investition in Eigentumstitel von Kapitalgesellschaften im wesentlichen nur f|r die Bezieher solcher Einkommen attraktiv ist, deren Einkommenssteuersatz dem Kvrperschaftssteuersatz entspricht oder dar|ber liegt. Da andererseits aber die Beteiligung an Personengesellschaften meist nicht ohne weiteres liquidierbar ist (dies erfordert meist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung), sind gerade Bezieher kleiner Einkommen de facto weitreichend von der Beteiligung am Produktivkapital ausgeschlossen - mit allen negativen Konsequenzen, die dies auf die Vermvgensverteilung einerseits und die Grv_e des Beteiligungsmarktes in der Bundesrepublik andererseits hat. Die Wahl der Finanzierungsform wird im wesentlichen dadurch beeinflu_t, da_ die Zinsaufwendungen f|r aufgenommene Kredite als Betriebsausgabe gewinnmindernd geltend gemacht werden kvnnen, die f|r Eigenkapital hingegen nicht. Dies f|hrt zundchst einmal dazu, da_ die Unternehmen bei der Finanzierung ihrer Investitionen relativ weniger auf Eigen- als auf Fremdkapital setzen. Woraus sich auch die im internationalen Vergleich geringe Eigenkapitalquote von nur 18,1% der (um Eigenkapital und Wertberichtigungen korrigierten) Bilanzsumme der deutschen Unternehmen erkldrt. Eine hohe Eigenkapitalausstattung ist jedoch eine wichtige Voraussetzung daf|r, unternehmerische Risiken eingehen zu kvnnen, wie sie mit grv_eren Investitions- und Innovationsvorhaben verbunden sind. Auch ist eine zu geringe Eigenkapitaldecke eine der Hauptursachen f|r das vielfache Scheitern neugegr|ndeter Unternehmen. Hinzu kommt, da_ gerade bei anfdnglichen oder vor|bergehenden Ertragslagen, die unterhalb des Zinssatzes f|r aufgenommende Kredite liegen, das Eigenkapital wegen seiner Nichtabzugsfdhigkeit nicht gegen einen steuerlichen Substanzverzehr gesch|tzt ist, was das Insolvenzrisiko deutlich steigen ld_t. Die bislang praktizierte Unternehmensbesteuerung versucht zwar, diesen steuerlichen Substanzverzehr durch umfangreiche Gestaltungsmvglichkeiten wie Verlustvor- und r|cktrdge, Sonderabschreibungen oder die Bildung stiller Reserven einzuschrdnken. Jedoch sind all diese Verfahren nicht nur b|rokratisch und verwaltungstechnisch kostspielig, sie beseitigen auch nicht effektiv die Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung. Die bereits angesprochenen Sondertatbestdnde, insbesondere bei den Abschreibungsmvglichkeiten, bleiben auch nicht ohne Wirkung auf die Struktur der Investitionen. Vielmehr entstehen dadurch Steuersenken, welche die Relation erwarteter Renditen zwischen verschiedenen Anlagemvglichkeiten gegen|ber den Marktgegebenheiten deutlich verdndern. So werden produktive Ressourcen in Bereiche gelenkt, in denen sie nicht den volkswirtschaftlich optimalen Ertrag bringen. Dndern sich die Abschreibungsmodalitdten zudem hdufig, was in der wirtschaftspolitischen Praxis der alten Regierung eher die Regel als die Ausnahme war, so verhindert dies zudem eine langfristig ausgerichtete Investitionsplanung. Hinzu kommt, da_ gerade die Mvglichkeiten zum Aufbau hoher stiller Reserven etwa durch R|ckstellungen im Ausland weitgehend unbekannt sind. International setzen sich inzwischen immer mehr die strengen und transparenten Bilanzierungsrichtlinien amerikanischen Zuschnitts durch. Die Bildung stiller Reserven tr|bt jedoch die in der Bilanz ausgewiesene Ertragslage deutscher Unternehmen optisch ein und wird damit zum Problem bei der Anziehung ausldndischen Kapitals. Eine Unternehmensbesteuerung f|r das 21. Jahrhundert Eine zukunftsweisende Reform der Unternehmensbesteuerung darf sich deshalb nicht allein auf die Senkung der Steuersdtze konzentrieren. Selbstverstdndlich ist auch dies notwendig, um die |beraus hohe steuerliche Ertragsschwelle f|r Investitionen, die derzeit bei gut 12,5% liegt, zu senken. Die Unternehmenssteuerreform mu_ vielmehr die Struktur der Steuererhebung so dndern, da_ die oben bereits angef|hrten Verzerrungstatbestdnde aufgelvst werden. Wir plddieren deshalb im folgenden f|r eine einheitliche und abschlie_ende Besteuerung aller Unternehmen mit einem linear ausgestalteten Tarif. Der Steuersatz sollte dabei mittelfristig in gleicher Hvhe festgesetzt werden wie der Hvchststeuersatz der Einkommenssteuer. Kurzfristig kann er allerdings auch darunter liegen, damit bereits heute die richtigen Signale f|r mehr Investitionen in Deutschland ausgesandt werden. Statt der zahlreichen Sondertatbestdnde, die heute dem Schutz des betrieblichen Eigenkapitals vor einem steuerlich bedingten Substanzverzehr dienen, schlagen wir die Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung durch einen kalkulatorischen Schutzzinsabzug von der Bemessungsgrundlage vor, wie sie in Kroatien seit einigen Jahren mit gro_em Erfolg praktiziert wird. In diesem Verfahren wird der ausgeweisene Gewinn (bereinigt um den kalkulatorischen Unternehmerlohn sowie um die in der Bilanz ausgewiesenen Unternehmensbeteiligungen) als Bemessungsgrundlage analog zur Behandlung von Fremdkapital um mit einem kalkulatorischen Zins gewichtete Eigenkapital bereinigt. F|r den kalkulatorischen Zins ist grundsdtzlich ein dhnlicher Zinssatz zugrundezulegen, wie er auch f|r Fremdkapital zu zahlen wdre. Als richtige Grundlage erscheint uns hier der durchschnittliche Zins festverzinslicher Wertpapiere innerhalb eines Steuerjahres. Aufgrund der von uns vorgeschlagenen separaten, proportionalen Steuer auf private Zinseink|nfte in Hvhe des Eingangssteuersatzes der Einkommenssteuer (siehe Kernpunkte einer Steuerreform f|r mehr Arbeit und Gerechtigkeit auf diesen Seiten) mu_ dieser kalkulatorische Zins allerdings noch um die Anwendung dieses Steuersatzes bereinigt werden. Der Grund hierf|r ist darin zu sehen, da_ die Sparer die Steuerlast in der Regel auf dem Kapitalmarkt in voller Hvhe auf die Nachfrager |berwdlzen kvnnen. Aus einem Zins von 3% ohne Steuern w|rde bei einem Steuersatz von 20% entsprechend ein Marktzins von 3,75%(=3%/0,8). Der Sparer selbst erhielte hingegen weiterhin eine Nettorendite von 3% (=3,75%*(1-0,2). Wenn nun der volle Marktzins f|r die Bereinigung der Bemessungsgrundlage zugrundegelegt w|rde, hdtte der Besitzer von Unternehmensanteilen bei vollstdndiger Aussch|ttung des Gewinns die Mvglichkeit einer steuerfreien Verzinsung seiner Anlage in Hvhe von 3,75% - also deutlich |ber dem des Sparers in anderen Anlageformen. Die Einf|hrung eines solchen Schutzzinses hdtte neben dem vollstdndigen Schutz des betrieblichen Eigenkapitals auch den Vorteil, da_ die steuerlich induzierte Schwelle, die Investitionen heute erbringen m|ssen, um auch nach Steuern einen Gewinn zu erbringen, auf die Hvhe der Nettoverzinsung f|r Fremdkapital (zuz|glich der verlangten Risikoprdmie) sinken w|rde. Zudem w|rde die Anlage in Unternehmenstitel f|r breite Bevvlkerungskreise nicht mehr steuerlich beeintrdchtigt, denn besteuert werden ja nur solche Gewinne, die die Normalverzinsung von festverzinslichen Wertpapieren |bersteigen1. Die Besteuerung der Unternehmen ist dabei abschlie_end, d.h. auf ausgesch|ttete Gewinne w|rde bei den Anteilseignern keine weitere Besteuerung erfolgen. F|r Unternehmen, die nach den Vorgaben des Handelsgesetzbuches keiner Buchhaltungspflicht unterliegen, ist eine freie Wahl zwischen der Besteuerung nach Ma_gabe der Einkommensbesteuerung oder der neuen Unternehmensbesteuerung vorzusehen. Im letzteren Fall ist dies jedoch mit einer Buchf|hrungspflicht zu verbinden. Um zusdtzlich einen Substanzverzehr bei den Unternehmen zu vermeiden, ist zudem wie im gegenwdrtigen System ein eingeschrdnkter Verlustr|cktrag einzurdumen. Weiterhin schlagen wir vor, das Sammelsurium von Abschreibungstatbestdnden durch eine umfassende Sofortabschreibung abzulvsen. Dies hdtte nicht nur den Vorteil, da_ die Fehllenkung produktiver Ressourcen in Steuersenken beendet wdre und die langfristige Investitionsplanung nicht mehr durch stdndige Dnderungen in den Abschreibungsmodalitdten behindert w|rde, sondern auch die Liquiditdt der Unternehmen positiv stiege. Zudem gilt zu beachten, da_ in einem dynamischen Umfeld mit raschem technischen Wandel b|rokratisch festgesetzte Abschreibungskataloge immer weniger in der Lage sind, die vkonomische Lebensdauer von Anlagen tatsdchlich zu erfassen. Im Falle einer schnellen technischen Entwertung der Anlagen oder auch einer Liquidation w|rde der Abschreibungsvorteil somit nicht mehr ungenutzt bleiben. Gleichzeitig w|rden so die Voraussetzungen einer transparenten Bilanzierung amerikanischen Zuschnitts auch in Deutschland geschaffen. Es scheint uns zudem |berlegenswert, ob nicht die Gewerbeertragssteuer ebenfalls durch die von uns vorgesehene Unternehmensbesteuerung einbezogen werden sollte. Die Reformdiskussion ist hier eindeutig festgefahren: Die an sich vern|nftige Wertschvpfungssteuer mit kommunalem Hebesatzrecht wird von den Wirtschaftsverbdnden vehement abgelehnt. Dagegen wird die undifferenzierte Beteiligung an den Eink|nften der Umsatzsteuer den kommunalen Finanzierungsanforderungen nicht gerecht, weil sie in keinen Raum f|r die Ber|cksichtigung der unterschiedlichen Anforderungen von Wirtschaft und B|rgern an kommunale Infrastruktur und Dienstleistungen ld_t. F|r diese ist ein Hebesatzrecht unerld_lich. F|r uns erscheint ein kommunales Hebesatzrecht auf die einheitliche Unternehmensbesteuerung durchaus sinnvoll, zumal es den Vorteil hdtte, da_ die Gewerbeertragssteuer dann ersatzlos gestrichen werden kvnnte.

-- David F. Milleker (milleker@frankfurter-institut.de), April 12, 1999.


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